Sand
Ein erstmal unscheinbares Thema. Aber beim näheren Hinschauen und Recherchieren können einige interessante Fakten gefunden werden, die sehr informativ und auch erschreckend sind.
Das Interview zu diesem Thema dauert eine knappe Stunde und wurde bei dem lokalen Radiosender wueste-welle - FM 96.6, Kabel 97.45 - gemacht.
All About SAND
Sand ist nach Wasser der zweitmeist genutzte Rohstoff weltweit. Wir wohnen praktisch auf ihm. Denn er steckt in Häusern und jeglicher Art von Gebäuden, Fenstern, Mikrochips, Zahnpasta und vielem mehr.
Etwa 40 Milliarden Tonnen von diesem Rohstoff werden jährlich weltweit abgebaut.
Nach Berechnungen der Bayerischen Sand- und Kiesindustrie aus dem Jahr 2009 verbraucht jeder Bundesbürger durchschnittlich 19 Kilogramm Sand und Kies pro Tag. Das sind bei einem angenommenen Alter von 70 Jahren 470 Tonnen im ganzen Leben. Und jeder von uns trägt ein Gerät mindestens einmal am Tag bei sich, welches, nur durch Sand zum Funktionieren gebracht wird: das Handy. Denn für die Herstellung von Mikrochips wird sogenannter Quarzsand verwendet, da dieser Silizium enthält, der für die Herstellung dieser notwendig ist. Ebenso ist der Sand auch für das Mikrofon notwendig.
Um nochmal auf das Glas zurückzukommen. In einer Glasscheibe eines Quadratmeters Fläche und einer Dicke von 5 Millimetern beispielsweise ist sehr viel mehr Sand vorhanden, als die meisten wahrscheinlich annehmen würden: 8,64 Kilogramm Quarzsand.
Doch wie schon erwähnt ist Sand auch in jeglichen anderen Produkten wie Gummi, Anstrich- und Poliermitteln, Papier und Arzneimitteln, bei getrockneten Lebensmittel, Haarspray und Kosmetika vorhanden.
Außerdem wird er nicht nur zur Reinigung unseres Trinkwassers benutzt, sondern auch zur Herstellung von Getränken, damit diese alle die gleiche Qualität haben. Aber auch in sonstigen Industriebereichen sowie in der Gießerei wird Sand gerne zum Beispiel zur Herstellung von Boden- und Wandfliesen oder Formen benutzt.
Allerdings ist Sand, oder besser gesagt, Siliciumdioxid (SiO2), ein sehr wichtiger Bestandteil des Sandes, auch in Lebensmitteln, wie zum Beispiel Zucker, Bouillon, Instant-Tees und Gewürzen. Er dient dort als Rieselhilfe, damit sich keine Klumpen bilden. Oder auch Wein. Doch der Name, den wir zu lesen bekommen, ist nicht SiO2, sondern E 551. Dabei lagern sich diese Kristalle um die Pulverkörnchen und schirmen diese vor Feuchtigkeit ab.
Die zugelassene Höchstmenge dieses Zusatzstoffes beträgt hierzulande zehn Gramm pro Kilogramm Nahrungsmittel. Da es von uns nicht verdaut werden kann und wieder ausgeschieden wird, gilt es in diesen Mengen als unbedenklich.
Kritisch wird es aber, wenn der «Sand» so fein gemahlen ist, dass er kleiner als 100 Nanometer ist und somit der Größe von Nanopartikeln entspricht. Das kommt beim Mahlprozess immer wieder vor, im Speziellen, wenn Siliciumdioxid synthetisch hergestellt wird – beim sogenannten E 551a. Die Kleinstpartikel könnten durch die Darmschleimhaut in den Körper gelangen und in Geweben und Organen abgelagert werden. Es ist noch unklar, wie groß die Gefahr für unsere Gesundheit ist. Stand 2019 ist jedoch immer noch nicht klar, ob es für uns gefährlich ist, da es immer noch zu wenige Studien darüber gibt. Daher wird es bis jetzt noch nicht verboten.
Wie oben geschildert, ist der Sand auch in Häusern zu finden, genauer gesagt, im Beton. In einem m³ Beton befindet sich etwa 1960 kg Sand/Kies oder Splitt. Größer gedacht befinden sich in einem Einfamilienhaus etwa 200 Tonnen Sand. Im Vergleich dazu auf einem Kilometer Autobahn etwa 30.000 Tonnen Sand.
Insgesamt ist also zu sagen, dass wir in unserem alltäglichen Leben sehr viel Sand benutzen. Dieser Sand wird oft illegal von Stränden oder Flüssen genommen. Und dies ist ein großes Problem, da durch dieses Fehlen ein großer Teil des Ökosystems zusammenbricht. Die Folgen für diese sind oft verheerend. Flussbetten sinken ab, Küsten erodieren, die Flora und Fauna in den Ozeanen und Flüssen wird zerstört und bedroht, ganze Inseln und Flussufer verschwinden. Schutzmechanismen, die eigentlich Stürme und Tsunamis abhalten, werden außer Kraft gesetzt. Und dies betrifft auch die dort lebenden Menschen.
Zum Beispiel gefährdet der Abbau von Sand im Mekong- Delta in Vietnam die Lebensgrundlage von 18 Millionen Menschen sowie zahlreicher Tier-unter anderem des bedrohten Irawadi-Flussdelfins, des Siam-Krokodils und der großfleckigen Zibetkatze- als auch Pflanzenarten wie Torfsumpfwälder mit Mangroven. Jährlich gehen im Mekong-Delta etwa 500 Hektar Sand durch den Sandabbau verloren und durch die Folgen davon mussten dort 500.000 Menschen umgesiedelt werden.
Und der Wüstensand, den man anstatt dessen nehmen könnte, ist aber zum Beispiel für Beton und damit den Häuserbau nicht geeignet, da die Sandkörner vom Wind so glatt und rund geschliffen sind, dass sie sich kaum verhaken können und nicht haften. Allerdings wird seit neustem nach einer Methode gesucht, wie man diesen Wüstensand haftbar machen könnte.
Ebenso wird durch Landaufschüttung wie zum Beispiel in Dubai, Abu Dhabi oder Singapur, wo Millionen von Tonnen Meeressand benutzt wird, eine schreckliche Entwicklung herbeigerufen. Singapur hat seine Fläche seit den 1960er Jahren durch Aufschüttungen vor seiner Küste um 20 Prozent vergrößert. Den Sand dafür lieferten Indonesien, Kambodscha und Vietnam. Mit fatalen Folgen: Ohne Sandstrände als natürliche Barriere gegen die Brandung wirkt sich der Anstieg des Meeresspiegels noch verheerender aus. Bereits im Jahr 2017 waren schon 37 Inseln in Indonesien und auf den Malediven verloren gegangen sowie 83 gefährdet. Es ist davon auszugehen, dass es heute deutlich mehr sind. Echt erschreckend. Wir sollten umsichtiger mit unserem Sandvorkommen umgehen. In Deutschland wird geschätzt, dass die genehmigten Sandabbaugebiete in etwa zehn Jahren verschwunden sein werden.
Der illegale Sandabbau ist auch ein großer Teil der Arbeit der Sandmafias, die vor allem in Marokko und Indien sehr groß ist. In Marokko holen sogar Kinder den Sand von den Stränden. Die Familien dort sind meist von der Arbeit, die sie verrichten, abhängig, da sie sonst nicht leben könnten. Und es wird hart gegen die vorgegangen, die kritisch darüber schreiben. In Indien zum Beispiel wurde am ersten Juni 2015 ein Mann mit Brandwunden an seinem Körper in ein Krankenhaus eingeliefert. Er hatte einen Bericht mit Fotos verfasst, in dem er dem Minister von Uttar Pradesh (Indien) vorwarf, am Garra River (Indien) illegalen Sandabbau zu betreiben. Sieben Tage später starb er an seinen Verletzungen. Die Sandmafias haben ihre Leute überall, in der Regierung, Polizei und benutzen jede Mittel, um ihre Beteiligung zu vertuschen. Es gibt noch zahlreiche weitere Fälle. 2019 wurde ein Journalist im Norden von Tamil Nandu (Indien) von 6 Männern angegriffen, da er ebenso zu diesem Thema berichtet hatte. Es wird Journalist*innen auch oft gedroht, dass ihnen etwas geschehen wird, wenn sie damit nicht aufhören.
In Deutschland gibt es zwar natürliche Sandvorkommen, jedoch können nur etwa ein Drittel davon verwendet werden, da der Rest entweder in Naturschutzgebieten oder an Plätzen vorhanden ist, über die aber schon gebaut wurde.
Was also können wir tun, um unseren Sandverbrauch zu reduzieren und somit etwas genauer darauf zu achten? Zum einen können wir genauer darauf achten, was und wieviel wir an Produkten kaufen, die Sand enthalten beziehungsweise auch genau darauf achten, was auf der Verpackung steht und ob dort E 551 dabei ist. Das kann sich allerdings als schwer herausstellen, weil nicht alle Firmen dies in die Beschreibung der Inhaltsstoffe schreiben. Wir können etwas dazu beitragen, indem wir nur noch gebrauchte oder recycelte Handys und Computer kaufen, unser Papier doppelseitig verwenden…Außerdem sollten wir auch vermehrt darauf achten, wie wir reisen. Denn auch in Verkehrsmitteln ist Sand enthalten. Zum Beispiel in einem Flugzeug – vom Kunststoff über den Leichtmetallrumpf, die Triebwerke und die Farben bis hin zu den Reifen.
„Das ist wie mit der Luft, die wir atmen. Wir denken nicht an sie. Aber ohne sie könnten wir nicht leben“, fasst Kiran Pereira, die britische Umweltexpertin, zusammen.
Es gibt auch schon Ansätze, um Lösungen für Baualternativen zu Sand zu finden. Zum Beispiel gibt es die Idee, andere Materialien wie recyceltes Plastik oder auch Bambus oder Holz als Alternativen zu nutzen. Es wurde sogar schon mit recyceltem Plastik gearbeitet und 2018 wurde der erste Fahrradweg aus recyceltem Plastik eröffnet. Jedoch befindet sich diese Innovation immer noch in der Testungsphase, um zu schauen, wie stabil das Material wirklich ist.
Bei einer weiteren Methode wird mit Kunstharz und Naturfasern versucht, ebenso Wüstenssand zur Herstellung von Beton zu verwenden. Dieser scheint deutlich leichter zu sein und ebenso resistenter gegen Hitze und Kälte als normaler Beton.
Auch wurde eine Methode entdeckt, um Beton wieder in seine Einzelteile zu zerlegen, um diese dann wieder verwenden zu können. Dies geschieht durch einen Laser.
Doch alle diese Lösungen sind erst in der Anfangsphase und werden noch sehr viel Zeit und Geld in Anspruch nehmen, um sie zu prüfen und sie zu realisieren.
Noch zwei Fun Fakts am Rande. Auf Hawaii an der Bucht von Hanapepe sowie im kalifornischen Benicia und im Norden Kaliforniens gibt es Glasstrände, die jeweils aus ehemaligen Müllkippen entstanden sind.
Barfuß auf Glas spazieren
Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts haben die Bewohner des anliegenden Fort Bragg ihren gesamten Müll einfach ins Meer geschmissen. Mülltrennung? Fehlanzeige. Rund 50 Jahre haben sie sich so ihres Unrats entledigt, bis in den Sechziger Jahren eine Organisation zur Überprüfung der Wasserqualität dem einen Riegel vorschob. Das Küstengebiet wurde geschlossen. Über Jahrzehnte hatte die Natur vor Ort so Zeit, sich zu regenerieren. Und das tat sie. Das Meerwasser reinigte den Strand und schliff das angestaute Glas, das Besucher heute dort barfuß und ohne Probleme spazieren können.
Ebenso gibt es auf Hawaii eine Initiative von Studenten aus dem kanadischen Quebec, die einen der dreckigsten Strände der Welt vom Plastikmüll befreien wollen - mit einem Staubsauger. "Hoola One" ist auf einen großen Anhänger montiert. Angetrieben wird der Sauger von einem mächtigen Benzin-Generator. Ein Schlauch führt ins Meer, über den Wasser in einen Tank gespült wird. Ein anderer Schlauch mit der ungefähren Breite eines Elefantenrüssels saugt die Plastikteile ein - Sand inklusive. Im Tank selbst werden dann Plastik und Sand mithilfe des Meerwassers wieder voneinander getrennt. Denn das Plastik schwimmt oben. Die Studierenden wollen nach dem erfolgreichen Test ihren Strandsauger nun kleiner machen und suchen nach Investoren.
Quellen:
Bendixen, Mette; Best, Jim; Hackney, Chris; Iversen, Lars Lønsmann (2019): Time is running out for sand. In: Nature 571 (7763), S. 29–31. DOI: 10.1038/d41586-019-02042-4.
Gallagher, Louise; Peduzzi, Pascal (2019): Sand and Sustainability: Finding new solutions for environmental governance of global sand resources: United Nations Environment Programme. Online verfügbar unter https://archive-ouverte.unige.ch/unige:117767.
Peduzzi, Pascal (2014): Sand, rarer than one thinks. In: Environmental Development 11, S. 208–218. DOI: 10.1016/j.envdev.2014.04.001.
Internetquellen:
20min: https://www.20min.ch/wissen/news/story/Wie-viel-Sand-gibt-es-am-Meer--22835948
Betonversiegelung: https://www.betonversiegelung.com/wieviel-zement-kies-sand-fuer-1m3-beton/
Forbiddenstories: https://forbiddenstories.org/sand-mafias-silence-journalists-in-india/
Planet Wissen: https://www.planet-wissen.de/technik/werkstoffe/sand/index.html
SRF: https://www.srf.ch/sendungen/einstein/sand-das-neue-gold/was-hat-sand-in-unserer-nahrung-zu-suchen
Tagesschau: www.tagesschau.de
TAZ: http://www.taz.de/!5452581/
Welt: https://www.welt.de/wissenschaft/article127147323/Unser-Wohlstand-ist-auf-Sand-gebaut.html